Das Münchner Odeon

Das Münchner Odeon – ein legendärer Konzertsaal

in: zeitenweise. Geschichtsmagazin für München, Nr. 3, Musikalisches München, Mai 1998, S. 6

Dort, wo heute das bayerische Innenministerium seinen Sitz hat, am Anfang der Ludwigstraße, befand sich über ein Jahrhundert lang das „Herz“ des Münchner Konzertlebens: das königliche Odeon. Diese „Sing-, Lese- und Tonhalle“, die dem Odeonsplatz ihren Namen gab, wurde im Auftrag von König Ludwig I. von Leo von Klenze 1828 fertig gestellt und erfreute sich bei der Bevölkerung Münchens großer Beliebtheit. Der Engländer Edward Wilberforce war bei seinem München-Besuch 1860 davon sehr beeindruckt: „Die Konzerte der Musikalischen Akademie werden im Münchner Odeon gegeben, in einem mächtigen Gebäude, dessen großer Saal tausend Menschen faßt, ohne daß es eng wird… Der Saal ist immer eine Stunde vor Konzertbeginn schon gut besetzt. Eine dreiviertel Stunde vor Beginn füllt er sich rapide, und eine halbe Stunde vor Konzertbeginn bekommt man keinen Sitzplatz mehr“ (E. Wilberforce, Ein Snob in München, München 1990, S. 135).

Bis zur Eröffnung des sogenannten Kaim-Saales (1895) an der Türkenstraße war hier die einzige Räumlichkeit, die sich für die Aufführung großer Konzerte eignete. Im Odeon, dem die Musikhochschule angeschlossen war und in dem z.B. Richard Strauß, Johannes Brahms und Anton Bruckner ihre Triumphe feierten, gab es nicht nur klassische Musik zu hören, sondern auch Tanz- und Unterhaltungsmusik, fanden sogar Bälle statt. Ein Zeitgenosse schrieb 1842: „Dieser unser Streck [ein populärer Militärmusiker] hat also die Idee der Maskenbälle aufgefaßt und sie auf eigene Kosten vom Hoftheater ins Odeon verpflanzt. Auf erhabenem Orchester spielt er da seine Walzer, seine Polkas und Galoppaden, und unten in der Prachthalle tanzen die Jungen und die Mädchen fröhlich auf glattem Boden. Die Damen sind wohl alle und von dem Männervolke wenigstens die Tanzenden aus jenen Klassen, die man in der feineren Gesellschaft vermißt“ (zit. nach V. Laturell, Volkskultur in München, München 1997, S. 272).

Ein Bombenangriff im April 1944 zerstörte das Gebäude bis auf die Umfassungsmauern. Anfang der 50er Jahre wurde es wieder aufgebaut, allerdings mit veränderter Raumaufteilung. Heute sind nur noch architektonische Reste des für fast 1500 Menschen angelegten, luxuriös ausgestatteten Konzertsaals mit seiner weltberühmten Akustik im Innenhof des Gebäudes vorhanden. Immer wieder gibt es Diskussionen darüber, ob das Odeon aus musik- und architekturhistorischen Gründen nicht rekonstruiert werden sollte. Die Gegner dieser Pläne halten wenig von einer solchen „Kopie, die einer Totgeburt gleichkommt“ (Süddeutsche Zeitung, 12.3.96) und die zudem unbezahlbar sei. Die Befürworter wiederum argumentieren, daß der vor allem abends öden Region um den Odeons- und Wittelsbacherplatz mit den vielen Ministerien und Büros ihre Urbanität, ihr großstädtisches Flair zurückgegeben werden könnte, ganz abgesehen davon, daß München mit seinen vielen, teils weltberühmten Orchestern einen weiteren, repräsentativen Konzertsaal sehr wohl brauchen könnte.