Geldmittel für DRK

7.12.1954
Das DRK erhält Geldmittel für Suchkartei

Wer bin ich?
Wo komme ich her?

Wo gehöre ich hin?

Wer heute solche Fragen stellt, ist wahrscheinlich auf dem Psychotrip, auf der Sinnsuche im Lande Egomania. Es hat aber auch schon Zeiten gegeben, noch gar nicht so lange her übrigens, in denen solche Fragen viel konkreter, viel existenzieller gestellt wurden. Überall konnte man damals Plakate sehen mit Fotos von Kindern und der Überschrift "Wer bin ich?". In den Wirren nach dem II. Weltkrieg, auf der Flucht oder bei den Vertreibungen, sind unzählige Familien auseinander gerissen worden. Jahrelang blieben viele Eltern im Ungewissen über das Schicksal ihrer Kinder, die in irgendwelchen Jugendheimen oder angeblich "bombensicheren" Kinderverschickungslagern vom Zusammenbruch überrascht worden waren, und die nun mit Hilfe solcher Suchplakate mit ihren Familien wieder zusammengeführt werden sollten. Zum Beispiel die Nr. 831, männlich, Name unbekannt, vielleicht Senke oder Zenke, geboren etwa 1943. Augen blau, Haare blond. Kam im Oktober 1948 mit einem Kindertransport nach Hannover und war vorher wahrscheinlich im Kinderheim eines Klosters untergebracht. Oder die Nr. 06114, weiblich, Name unbekannt, geb. Ende 1944. Wurde am 3. oder 4. April 1945 in einem Kinderwagen gefunden. Darin befanden sich eine Damastdecke mit aufgesticktem Monogramm M.K. und ein Taufbild aus rosa Seide mit silberner Aufschrift. Oder das "Suchkind 312", weiblich, Vorname Martina, geboren etwa 1944, Augen blau, Haare blond. Bei diesem ungemein berühmten Suchkind handelte es sich allerdings um eine Romanfigur, deren Geschichte sogar verfilmt wurde und Millionen Deutsche in den 50er Jahren zu Tränen rührte, natürlich mit Happy End. Glücklich endeten die Bemühungen der Suchdienste auch im richtigen Leben bei fast 300.000 Kindern. Daneben wurde außerdem das Schicksal von rund 1,2 Millionen Wehrmachtsvermißten, über 160.000 Kriegsgefangenen und fast 700.000 verschleppten Menschen geklärt. Die Suchkartei des Roten Kreuzes wuchs bis in die 80er Jahre auf 22 Millionen Personen mit über 50 Millionen Karteikarten.

Das Jahrhundert-Detektivspiel hatte schon 14 Tage nach Beendigung des II. Weltkriegs begonnen und mußte anfangs unter heute schier unvorstellbaren Bedingungen durchgeführt werden. Überall herrschte Chaos und Zerstörung, das Telefon-, Straßen- und Eisenbahnnetz war noch Jahre nach dem Krieg äußerst mangelhaft, es gab keine Büroräume und Materialien, dafür aber umso mehr Menschen, die ihre Angehörigen suchten. 1950 wurden die meisten Suchdienste unter Leitung des Roten Kreuzes zentral in München zusammengelegt, wo täglich bis zu 40.000 Anfragen eingingen. Neben den Plakaten und Zeitungsmeldungen mit Fotos waren besonders die Suchdurchsagen im Radio sehr erfolgreich. Und dennoch konnten immer mehr Suchanträge nicht bearbeitet werden, trotz der Tag- und Nachtschichten freiwilliger Helfer. Es fehlte einfach am Geld. Die Spenden der meist mittellosen Antragsteller waren mager, und die Kommunen waren pleite. Die amerikanische Besatzungsmacht hatte zwar immer wieder mal Mittel genehmigt, die sich jedoch bei dem aufwendigen Unternehmen schnell als völlig unzureichend erwiesen. In mühseliger Kleinarbeit mußten nämlich die Schicksale der Vermißten zusammengesetzt, die Geschichte von Heimen und Anstalten rekonstruiert, Fluchtwege und Evakuierungen ganzer Gruppen von Flüchtlingen nachvollzogen werden. Und so blieb der Suchdienst lange Zeit auf Sammlungen oder sporadische Zuschüsse angewiesen. Erst fünf Jahre nach Gründung der Bundesrepublik, am 7. Dezember 1954, erhielt das Deutsche Rote Kreuz nennenswerte Geldmittel zur Unterstützung ihrer Suchkartei, die im übrigen bis heute besteht. Noch Fragen? Gut, dann kann ich ja meine Zeitung weiter lesen. Was war denn heute alles los? (Rascheln). "Der Bundespräsident will mit 65 in Rente gehen" – von mir aus. "Um die neue Pflegeversicherung kommt keiner herum" – nicht einmal der Bundespräsident. "Entwarnung für Naschkatzen: die Schokolade ist besser als ihr Ruf", naja, wer's glaubt. "Tausende von Kindern suchen ihre Eltern, von denen sie infolge der Kriegswirren getrennt wurden". Was?! "Tausende von Ki-", ja hört denn das nie auf! Ach so, das ist ja gar nicht bei uns, das ist ja bloß in Ruanda.