Rosa Aschenbrenner und die Gestapo

Die Gestapo schrieb: "Gesinnung (marxistische) nicht geändert"
Rosa Aschenbrenner (27.4.1885 – 9.2.1967)

Frauen und Politik in der Weimarer Zeit (Porträt-Serie), in: Maximilianeum, Beilage der Bayerischen Staatszeitung, Nr. 1, Jg. 14 Februar 2002

„Es gibt in Deutschland 800 Millionäre und es gibt allein in München 79 Millionäre. Millionen kann man sich mit seiner Hände Arbeit in hundert Jahren nicht verdienen; da stecken Spekulationsgewinne und alles mögliche darin. Da sollte man sich noch scheuen, den Leuten, die auf solche Weise ihr Geld zusammengebracht haben, das abzunehmen! Aber das bedeutet eben Revolution; denn freiwillig gibt die herrschende Klasse nicht auf.“ Deutliche Worte, die Rosa Aschenbrenner, Abgeordnete der KPD, in einer über einstündigen Mammutrede am 9. Februar 1928 im Bayerischen Landtag von sich gab. Unverblümt äußerte sie sich am selben Tag auch über das sogenannte Zigeunergesetz, das eine Einweisung von „Arbeitsscheuen“ in ein Arbeitshaus ermöglichte: „Es ist das so eine Betrachtungssache, wer eigentlich arbeitsscheu ist. Sehen Sie, da gibt es im Volke draußen z.B. auch die Meinung, dass die Herren Abgeordneten, die hier hocken, Faulenzer sind und nichts anderes tun als ihre Diäten einschieben. Manchmal, wenn man die leeren Bänke anschaut, könnte man ja selbst sogar zu dem Eindrucke kommen. Ich sage nur folgendes: Es kommt eben darauf an, wer darüber zu urteilen hat, ob jemand arbeitsscheu ist oder nicht“. Rosa Aschenbrenners Reden im Landtag waren berühmt-berüchtigt. Ihre drastische Ausdrucksweise provozierte häufig Zwischenrufe, teils sogar tumultartige Unruhen. Sie argumentierte schlagfertig und ironisch, nicht selten polemisch oder bayerisch-deftig und sorgte damit häufig für Heiterkeit im Plenum.

Die streitbare Frau stammte aus ganz kleinen Verhältnissen. 1885 in Beilngries/Opf. als Bauerntochter geboren, arbeitete Rosa Lierl nach Beendigung der Volksschule zunächst als Dienstmädchen. Als sich 1908 die SPD als damals einzige Partei für Frauen öffnete, wurde sie dort Mitglied. 1909 heiratete sie Hans Aschenbrenner und wurde 1910 Mutter eines Buben. Die Aschenbrenners eröffneten einen Frisörladen, der jedoch 1914, bei Ausbruch des Krieges, geschlossen werden musste. Rosa arbeitete in der Kriegswirtschaft, ihr Mann im Lazarettdienst. Je länger der Krieg dauerte, je größer die Entbehrungen, die den Menschen dadurch auferlegt wurden, desto radikaler wurde die Stimmung in der Bevölkerung. Die „rote Rosa“ war dabei, als Frauen in München 1917 um mehr Brot demonstrierten, sie half bei der Durchsetzung des Frauenwahlrechts, das mit Ende des Krieges 1918 von der Revolutionsregierung eingeführt wurde und sie versuchte, zusammen mit anderen couragierten Frauen, das Schlimmste zu verhüten, als die Räterepublik blutig niedergeschlagen wurde. Sie stellte sich zudem als Laienrichterin am Arbeitsamt zur Verfügung und engagierte sich vehement in den Gewerkschaften. 1920 für die USPD, dem linken Flügel der Sozialisten, in den Landtag gewählt, wechselte sie 1921 zur Kommunistischen Partei – eine fast tollkühne Entscheidung in jenen Zeiten, als in der „Ordnungszelle Bayern“ zahlreiche rechtsextreme Geheimbündler ihr Unwesen trieben. 1922 legte sie ihr Landtagsmandat nieder, um sich besser in der „Frauenhilfe für politische Gefangene“ einsetzen zu können. Nach ihrer Wiederwahl in den Landtag 1924 wurde sie schnell Vorsitzende der KPD-Fraktion und nahm in den folgenden Jahren als einzige unter den wenigen weiblichen Abgeordneten im Landtag nicht nur zu den üblichen Frauenthemen Stellung, sondern auch zu Bereichen aus der sogenannten hohen Politik.

Ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und Proletarierstolz machten Rosa Aschenbrenner zur bayerischen Herzeige-Kommunistin. Beide Eigenschaften sorgten jedoch auch dafür, dass es zu einem eklatanten Bruch mit der Parteiführung kam. Ihr Austritt aus der Partei 1929 war das Tagesgespräch im Landtag, geradezu eine Sensation! Der eigenwilligen Politikerin war der zentralistisch-dogmatische Kurs der KPD offenbar zu restriktiv geworden. Trotz zahlreicher Intrigen und Anfeindungen konnte sich die "eiserne Rosa" aber im Landtag halten, zunächst als Parteilose, 1930 bis 1932 wieder für die SPD. Als kompromisslose und frühe Gegnerin der NS-Bewegung kam sie am 7. März 1933 in Schutzhaft, wurde aber vier Monate später wieder entlassen. Fast zwei Jahre lang musste sie sich nun jeden zweiten Tag bei der Polizei melden. 1937 folgte eine zweite Haftstrafe von vier Monaten Gefängnis, weil sie einen feindlichen Radiosender abgehört hatte. In einem Gestapo-Bericht aus jenen Tagen hieß es über sie: „Gesinnung (marxistische) nicht geändert“.

Nach Zusammenbruch des Nationalsozialismus wurde Rosa Aschenbrenner 1946 in die Verfassunggebende Landesversammlung gewählt und saß im Vorstand der Münchner SPD, seit 1948 auch im Münchner Stadtrat. Die nunmehr Dreiundsechzigjährige warf sich unvermindert einsatzfreudig in die Kommunalpolitik. Sie galt als blitzgescheit, witzig und schlagfertig, gab sich aber nicht selten auch polternd und herrisch. Kettenrauchend, Unmengen von Kaffee trinkend und immer an irgendeinem Kleidungsstück strickend, auch während der Sitzungen, so blieb sie vielen in Erinnerung. 1955, anlässlich ihres 70. Geburtstags, wurde sie im Rathaus ausgiebig öffentlich gefeiert, alle Münchner Zeitungen brachten Glückwunsch-Artikel, der Würmtalbote ehrte sie sogar als "Gußeiserne Stadtmutter". Nur zehn Monate später jedoch wurde sie von ihrer eigenen Partei kaltgestellt. Rosa Aschenbrenner hatte sich der "kommunistischen Umtriebe" verdächtig gemacht, u.a. weil sie Kontakte nach „drüben“ hatte – ein unverzeihlicher Fehler in den damaligen Zeiten des Kalten Krieges. Die äußerlich eher unscheinbare und bescheidene Frau, die immer noch ein ausgeprägtes Klassenbewusstsein zeigte, war wohl nicht mehr zeitgemäß. Flexibel und anpassungsfähig musste man nun sein, um im neuen Wirtschaftswunderland politisch überleben zu können. Die letzten Jahre vor ihrem Tod engagierte sich Rosa Aschenbrenner noch in einem Münchner Bezirksausschuss. Dort machte sie sich in ihrer dominanten Art aber nicht nur Freunde. Als unbequeme Frau zwischen allen Stühlen starb die 82jährige 1967 an einem Lungenleiden.