Frauenarbeit

"… als ob ich ein Sträfling bin".
Frauenarbeit und Frauenalltag im Bayern der Weimarer Zeit
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Bayerischer Rundfunk, "Bayern – Land und Leute", 14.5.1995

Die "Goldenen Zwanziger Jahre", wer denkt dabei nicht an die quirlige Großstadt Berlin und den Tonfilm, an freche Frauen mit Bubikopf und Zigarettenspitze, an wippende Fransenkleidchen und Charlestonmusik? Tatsächlich wird in den 20er Jahren die "Neue Frau" geboren, die selbständig und emanzipiert auf eigenen Füßen steht, die im wahrsten Sinne des Wortes wie Marlene Dietrich "die Hosen anhat" und weniger denn je auf einen männlichen Ernährer angewiesen ist. So wird es zumindest in den meisten zeitgenössischen Romanen und Filmen dargestellt und der Mythos hat sich bis heute gehalten.

Ohne Zweifel hatte sich in den 20er Jahren vieles für die Frauen gebessert: sie durften nun wählen und waren laut Weimarer Verfassung auch gleichberechtigt. Das Mädchenschulwesen wurde ausgebaut, der Zugang zum Studium somit leichter; außerdem gab es für sie nun mehr und vor allem qualifiziertere Arbeitsstellen, z.B. im Büro oder in den Kaufhäusern. Allerdings wurde Frauenarbeit grundsätzlich weitaus schlechter bezahlt als Männerarbeit und war alles andere als gesellschaftlich anerkannt. Auch wenn sie verheiratet waren, konnten es sich immer weniger Frauen leisten, daheim zu bleiben, vor allem wenn sie noch Kinder hatten, weil sie vom Verdienst des Mannes allein nicht leben konnten. Und so hetzten sich vor allem die Frauen der unteren und mittleren Schichten nicht selten durch einen 16- oder 18-Stunden-Tag. "Es kommt mir manchmal vor, als ob ich ein Sträfling bin", dieser Stoßseufzer einer Augsburger Textilarbeiterin charakterisiert wohl die Situation vieler Frauen der Weimarer Zeit.