Frau Abgeordnete Hösl

"Das Wort hat Frau Abgeordnete Hösl…"
Vom bayerischen Landtag ins Konzentrationslager

Bayerischer Rundfunk, "Bayern – Land und Leute", 2.6.2002

Im Oktober 1923 schenkt die 21-jährige ledige Magd Viktoria „Dora“ Hösl einem Buben das Leben, wenige Monate später muss sie deswegen ihre Heimatgemeinde Kirchenthumbach in der Oberpfalz verlassen und geht in die Stadt, nach München. Keine zehn Jahre später kann sie sich als „Frau Abgeordnete“ titulieren lassen. Allerdings ist sie in der falschen Partei, denn als die Nationalsozialisten an die Macht kommen, wird Dora Hösl als Mitglied der KPD am 10. März 1933 in „Schutzhaft“ genommen und verbringt die nächsten drei Jahre im Gefängnis Stadelheim. Ihr damals neunjähriger Sohn Herbert kann zunächst noch bei seinem Onkel wohnen, wird aber 1934 in ein katholisches Kinderheim eingewiesen. Von dort holt ihn die Gestapo zu einer Vernehmung ins Wittelsbacher-Palais und misshandelt ihn schwer; kurz danach erkrankt er an Diphterie und liegt eineinhalb Jahre auf Leben und Tod.

Seine Mutter, die 1936 ins Frauenkonzentrationslager Moringen kommt, ist nicht nur wegen seines Gesundheitszustands in größter Sorge, sondern auch wegen der zunehmenden Entfremdung durch die langen Jahre der Trennung. 1937 wird sie endlich nach Hause entlassen, und der mittlerweile 14-jährige Sohn kann wieder bei ihr wohnen. Bis 1942 hält sie sich recht und schlecht mit verschiedenen Arbeiten über Wasser, bleibt aber ihrer politischen Einstellung treu und schließt sich der Münchner Widerstandsgruppe um Beppo Römer an. Im März 1942 wird sie erneut verhaftet und sitzt wieder – bis zu ihrer Entlassung im April 1945 – in Stadelheim ein. Mehr als sieben Jahre hat Dora Hösl während der NS-Herrschaft in Haft verbracht, 1953 stirbt sie an den Spätfolgen.

Aus der Zeit im Gefängnis gibt es einen bewegenden Schriftwechsel Dora Hösls mit ihrem Sohn. Über die Zeit im KZ Moringen existiert eine Aufzeichnung ihrer jüdischen Mitgefangenen Gabriele Herz, die damit nicht nur den Bewohnerinnen des „Bayernsaals“, sondern allen „Schwestern der Verfolgung“ ein unvergessliches Denkmal gesetzt hat.