Kristallnacht

Die "Kristallnacht" auf dem Lande.
Ein Lehrstück aus dem bayerischen Schwaben.

Bayerischer Rundfunk, Sondersendung zur "Reichskristallnacht", 9.11.1989 

Als 1933 Hitler in Deutschland die Macht an sich riß, lebten im schwäbischen Altenstadt noch rund 50 Juden. Keiner von ihnen nahm die politischen Ereignisse zum Anlaß, den Ort zu verlassen, lebten viele der Familien doch schon seit Generationen hier friedlich und in gut nachbarschaftlichen Verhältnissen mit der christlichen Bevölkerung. „Wir haben doch nichts, von uns können sie doch nichts wollen“, soll die allgemeine Haltung gewesen sein. Und zunächst geschah auch noch nichts besonderes, man arrangierte sich mit dem „gemütlichen Faschismus“ auf dem Lande. Doch nach Verkündigung der Nürnberger Rassegesetze zog sich die Schlinge immer mehr zu, einige jüdische Altenstadter wanderten aus.

1938 lebten hier noch 34 jüdische Personen und als am 9. November überall in Deutschland die Synagogen brannten, Juden verhaftet, mißhandelt und ermordet, Geschäfte und Wohnungen verwüstet, geplündert und zerstört wurden, war in Altenstadt rein gar nichts davon zu spüren. Erst einen Tag später kamen die Ereignisse ins Rollen, zunächst eher wie eine Provinzposse als „Bühne“ für einen eitlen SA-Führer. Später jedoch lief dann alles aus dem Ruder, verselbständigte sich das, was relativ harmlos begonnen hatte. Hinterher war zwischen katholischen und jüdischen Altenstadter nichts mehr so, wie es vorher gewesen war, die soziale Ausgrenzung mündete im August 1942 in der Deportation der letzten Altenstadter Juden. 

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