Gründung der DP-Universität

16.2.1946
Gründung der DP-Universität im Deutschen Museum

Im Winter 1946 wurde eine der merkwürdigsten und wohl auch kurzlebigsten Universitäten Deutschlands gegründet. Ganze vier Semester lang fanden am Deutschen Museum in München Vorlesungen und Seminare statt. Zwar nahmen pro Semester immerhin mehr als 2000 Studenten aus fast 30 Nationen am Lehrbetrieb teil, doch Deutsche waren dabei kaum vertreten. Die Universität war nämlich gegründet worden für die Überlebenden des Holocaust, aber auch für ehemalige Zwangsarbeiter, Verschleppte und Kriegsgefangene, die meist aus dem Osten stammten. Diese entwurzelten, oft heimatlosen Menschen hießen im Militärjargon "Displaced Persons", kurz DPs. Es handelte sich hier also um eine DP-Universität, die mit Genehmigung der amerikanischen Militärregierung und Unterstützung der UNRRA, einer internationalen Hilfsorganisation der UNO, ins Leben gerufen worden war. In der Gründungsurkunde vom 16. Februar 1946 hieß es: Die Universität werde gegründet um den DPs die Möglichkeit zu geben, sich geistig auf die Zukunft vorzubereiten und nach langer Unterbrechung die Vorteile eines freien und demokratischen intellektuellen Lebens zu genießen.
Die UNRRA hatte nach Ende des II. Weltkriegs überall im Land Sammellager für DPs eingerichtet, um sie mit dem Nötigsten zu versorgen. Dort warteten sie dann darauf, in ihre Ursprungsländer zurückzukehren oder in die neue Heimat auszuwandern. Im Sammellager Camp 108, das im Deutschen Museum untergebracht war, trafen zufällig besonders viele ehemalige Studenten und Professoren zusammen, die ihre Wartezeit sinnvoll durch geistige Beschäftigung nutzen wollten. So gab es schon im Sommer 1945 zwanglose Vorträge über Fragen und Probleme des Maschinenbaus. Seit September 1945 konkretisierten sich dann die Pläne für den Aufbau einer vorwiegend naturwissenschaftlichen Universität. Als Grundlage aller Wissenschaft und Symbol der klassischen Bildung war auch eine philosophische Fakultät geplant, die jedoch aus Mangel an Professoren nicht zustande kam. Beinahe wäre der restliche Betrieb auch nicht zustande gekommen, denn die Anfangsschwierigkeiten erwiesen sich als fast unüberwindlich: Vielsprachigkeit und unterschiedlicher Bildungsgrad der Studenten, zerstörte Räumlichkeiten und fehlende Laboratorien, unzureichende Lehrmittel und mangelnde Finanzen und nicht zuletzt zu wenig Professoren mit "Persilscheinen", die also politisch unbedenklich waren, blieben Dauerprobleme der DP-Universität. Außerdem wurde der Lehrbetrieb nur von Semester zu Semester genehmigt, denn die Amerikaner wollten unbedingt verhindern, daß aus der provisorischen Universität eine feste Einrichtung wurde, weil sie die DP-Lager auflösen wollten. Und somit konnten weder Professoren noch Studenten längerfristige Pläne machen. Gegen Semesterende fing immer wieder das große Bibbern an, ob es weitergeht oder nicht. Diese Unsicherheit wollten Studenten und Professoren dadurch beenden, daß sie ihre Hochschule zur "Weltuniversität" hochstilisierten und in vielen Ländern um Unterstützung baten. In einem Aufruf behaupteten die Studenten: "Es hat sich erwiesen, daß unsere einzigartige internationale Universität eine Universität der Zukunft ist, und wir sind davon überzeugt, daß ihre weitere Entwicklung von ungeheurer Wichtigkeit für die Pflege der demokratischen Erziehung sein wird". Die DP-Universität sollte überregionalen, völkerverbindenden Modellcharakter erhalten und als Wiedergutmachung für die nationalsozialistische "geistige Versklavung der Völker" durch Reparationsgelder finanziert werden. Leider waren die Amerikaner anderer Ansicht und verfügten die Schließung der Hochschule. Der Lehrbetrieb wurde mit Ende des Sommersemesters 1947 endgültig eingestellt. Angeblich hing diese Schließung ja auch damit zusammen, daß im amerikanischen Kongreß Befürchtungen laut geworden waren, die vielen Studenten aus dem Osten könnten die Bayern kommunistisch unterwandern.