Elly Maldaque – Einlieferung ins Irrenhaus

9.7.1930
Elly Maldaque wird ins Irrenhaus eingeliefert

Wie würden Sie denn reagieren, wenn man Sie aus heiterem Himmel, ohne geringste Vorwarnung, fristlos entlassen würde, wenn Ihnen nach langjähriger, beruflicher Tätigkeit auch jegliche Pensionsberechtigung abgesprochen würde? Was würden Sie machen, wenn sich herausstellen würde, daß man Sie schon seit Monaten bespitzelt, die Polizei heimlich all Ihre persönlichen Unterlagen durchwühlt hat, und das alles bloß deswegen, weil Sie auf ein paar harmlosen, politischen Veranstaltungen gewesen waren? Nein, nein, es geht nicht um die DDR und um die Stasi oder vielleicht bald schon um die neuen Terrorgesetze der BRD.
Es geht um ein Ereignis, das sich im Sommer 1930 in Regensburg zugetragen hat. Es geht um Elly Maldaque, eine altgediente, allseits beliebte Volksschullehrerin, die wegen angeblich "kommunistischer Umtriebe" nicht mehr unterrichten durfte. Als Fünfunddreißigjährige in eine schwere Psychokrise geraten, heute würde man das wohl "Midlifecrisis" nennen, traf Elly Maldaque bei ihrer Suche nach dem Sinn des Lebens auch auf sozialistisches Gedankengut. Sie beschäftigte sich gründlich mit einschlägiger Literatur und diskutierte nächtelang mit Gleichgesinnten über die Möglichkeiten, eine gerechtere und bessere Gesellschaft zu schaffen. In ihren Tagebuch-Aufzeichnungen wird deutlich, daß pazifistische, sozialistische und kommunistische Ideen immer mehr zu einem fast religiösen Erlösungsgedanken verschmolzen. Elly Maldaque nahm an verschiedenen Veranstaltungen der Linken teil, wo sie einem Spitzel dadurch auffiel, daß sie den Arbeiterchor auf dem Klavier begleitete. Als er herausgefunden hatte, daß sie als Lehrerin im Staatsdienst arbeitete, eröffnete er die Hetzjagd. Ab November 1929 wurde sie systematisch überwacht. Der Spitzel bekam noch Verstärkung durch zwei Agenten, die in einer Nachbarwohnung Stellung bezogen. Doch Elly Maldaque blieb auch dann noch ahnungslos, als die Polizei unter einem Vorwand im März 1930 bei ihr eine Hausdurchsuchung machte. Damals wurden heimlich Abschriften aus ihrem Tagebuch angefertigt, die ihr dann zum Verhängnis wurden. Einzelne Passagen, aus dem Zusammenhang gerissen, schienen eindeutig ihre Schuld zu beweisen, überzeugte Kommunistin zu sein. Man ließ ihr keine Chance zur Rechtfertigung, sie wurde nicht einmal persönlich angehört. Die städtische Schulbehörde verfügte im Juni 1930 ihre sofortige Entlassung.

Erst jetzt begriff Elly Maldaque, was für ein Damoklesschwert schon seit Monaten über ihrem Kopf geschwebt hatte, auch wenn es ihr unverständlich blieb, wodurch sie sich schuldig gemacht hatte. Von heute auf morgen sah sie sich ihrer Existenz beraubt. Sie durfte ihren geliebten Beruf nicht mehr ausüben und verlor ihren Anspruch auf Altersversorgung. Da halfen auch die Proteste der Eltern ihrer Schülern nichts, die Entscheidung war unwiderruflich. Das Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins führten zu einem Nervenzusammenbruch. Elly Maldaques Vater, der als religiöser Fanatiker bekannt war und zu dem sie eine sehr schwierige Beziehung hatte, veranlaßte am 9. Juli 1930 ihre Einweisung in die Irrenanstalt, angeblich um ihre Pensionsberechtigung zu retten. Die konnte man ihr nämlich nicht nehmen, wenn sie als unzurechnungfähig galt. Durch die vorhergehenden Erfahrungen mit Behörden und offiziellen Stellen äußerst mißtrauisch geworden, wehrte sich Elly Maldaque jedoch mit Händen und Füßen gegen diese Einweisung. Sie mußte mit Gewalt in die Anstalt gebracht werden und kam als gemeingefährlich Geisteskranke in die Abteilung für schwere Fälle, in einen Saal mit vielen Betten. Keiner ihrer Freunde und Bekannten erhielt Zugang zu ihr, dafür sorgte schon der Vater. Elly Maldaque bekam panische Angstzustände, fühlte sich im Stich gelassen und verfolgt, konnte nicht mehr schlafen, konnte nichts mehr essen, wurde immer erschöpfter und starb, elf Tage nach ihrer Einlieferung, an Herzversagen.